Grußwort
von Gesine Agena, Mitglied im Bundesvorstand und frauenpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Aktionstages des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung am 19. September 2015.
„Kinder oder keine – entscheiden wir alleine“ das war ein Motto, mit dem vor nicht einmal 40 Jahren Frauen für das Recht gekämpft haben, eine ungewollte Schwangerschaft straffrei und sicher abzubrechen.
Sie haben damit auch für das Recht gekämpft selbst zu entscheiden, ob sie in der Lage sind ein Kind auszutragen, es zu gebären und aufzuziehen. Und bis heute ist dieses Recht nicht vollkommen durchgesetzt. Das ist aus feministischer Sicht ein Skandal!
In Deutschland ist zwar ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen straffrei gestellt, aber nur wenn zuvor eine verpflichtende Beratung in Anspruch genommen wurde. So regelt es der Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs. Das heißt doch, dass Frauen nach wie vor keine verantwortungsvolle Entscheidung zugetraut wird und wir noch lange nicht bei der selbstverständlichen Akzeptanz dieses Rechtes sind.
Mit dem bestehenden Straftatbestand wird ein Frauenbild zementiert, das Frauen eine selbständige selbstbewusste und verantwortliche Entscheidung abspricht. Wer aber außer der betroffenen Frau sollte diese Entscheidung treffen können? Wir wollen und werden es nicht hinnehmen, dass Frauen, die ihr gutes Recht wahrnehmen mit dem Strafrecht gedroht wird. Denn wer eine Frau zwingen will eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen verstößt gegen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimung.
Dass der Schwangerschaftsabbruch immer noch im Strafgesetzbuch steht, ist nur ein Beispiel dafür, dass in Deutschland der Grundsatz „Leben und Lieben ohne Bevormundung“ noch längst nicht durchgesetzt ist.
Noch immer ist im Sexualstrafrecht der Grundsatz „Nein heißt Nein“ nicht umfassend durchgesetzt und noch immer wird den Opfern sexueller Übergriffe so der notwendige Schutz versagt. Wir brauchen hier dringend Änderungen, um die Schutzlücken zu schließen. Doch die Bundesregierung mauert.
Wer sich über ein ausdrücklich geäußertes „Nein“ hinwegsetzt und gegen den Willen der anderen Person sexuelle Handlungen vornimmt, macht sich strafbar! Deshalb fordern wir hier heute auch das Bundeskanzleramt auf, den Widerstand gegen ein Gesetz aufzugeben, das die Schutzlücken endlich schließt.
Der Weg zur Durchsetzung der sexuellen Selbstbestimmung ist noch weit. Aber schon der Zustand, den wir heute erreicht haben, treibt die Reaktionären und Fundamentalist*innen auf die Straße. Die Leute, die hier mit ihren Kreuzen durch Berlin ziehen, die wollen uns unsere Rechte nehmen. Und das werden wir nicht dulden.
Denn wenn Frauen das Recht abgesprochen wird, selbst über ihren Körper zu bestimmen, dann darf das weder von der Gesellschaft noch von der Politik unwidersprochen bleiben.
Wenn die Kelles und Petrys und von Storchs dieser Welt mit ihren Kreuzen durch Berlin ziehen, dann ist unser aller Widerstand angezeigt.
Denn die christlichen-Fundamentalist*innen, die organisieren nicht nur einmal im Jahr eine Demo, sondern sie sind Teil eines undemokratischen und antifeministischen Rollbacks in Deutschland und Europa.
Sie agieren mit Einschüchterungen, Drohungen und zum Teil sogar Gewalt gegen Ärtz*innen und Patient*innen. Sie stigmatisieren Frauen, die die Entscheidung getroffen haben, eine Schwangerschaft abzubrechen und belästigen sie mit sogenannten Mahnwachen vor Praxen und Kliniken, die Abtreibungen durchführen. Nicht selten kommt es dabei zu übergriffigen Worten und Taten. Sie versuchen die behandelnden Ärtz*innen so unter Druck zu setzen, dass sie Abtreibungen gar nicht erst anbieten, weil sie sonst öffentlich verunglimpft oder mit willkürlichen Klagen vor Gericht gezerrt werden. Leider viel zu oft mit Erfolg.
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir sind hier um den Fundamentalist*innen und dem von ihnen angestrebten Rollback entgegenzutreten! Wir werden verhindern, dass die neuen und alten Rechten ihre reaktionären Ansichten weiter in die Gesellschaft hineintragen. Wir kämpfen für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, für eine moderne, eine tolerante und emanzipierte Gesellschaft.
Lasst uns heute hier laut sein und ein feministisches Zeichen senden an die ganzen Kreuzräger*innen und ihnen sagen: Wir wollen und werden leben und lieben ohne Bevormundung. Wir kämpfen für unser Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Denn wir haben das Recht über unseren eigenen Körper zu bestimmen und das lassen wir uns nicht nehmen.