Pressemitteilung
Patient*inneninformation oder anstößige Werbung? – der Paragraf 219 kriminalisiert Ärzt*innen
Berlin, Donnerstag, den 23.11.2017
Anlässlich des Internationalen Tages für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches am 28. September hatte das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218/219 aus dem Strafgesetzbuch gefordert. Zwei Monate später muss sich nun die Ärztin Kristina Hänel vor einem deutschen Gericht verantworten – wegen des angeblichen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a StGB.
Informationsfreiheit wird zu anstößiger Werbung verdreht
In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch entgegen der Wahrnehmung vieler Menschen nicht legal, er ist lediglich unter bestimmten Bedingungen straffrei. Auch wer nach § 219a StGB „öffentlich seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschafts-abbruchs anbietet, ankündigt, anpreist“, macht sich strafbar. Sogenannte „Lebensschützer“ setzen Informationsfreiheit mit Werbung gleich und stellen mit dem veralteten Paragraphen 219a im StGB Strafanzeigen gegen Ärzt*innen. Seit Jahren, mehrfach.
Der Angriff der Abtreibungsgegnerinnen auf Ärzt*innen nutzt veraltetes Recht
Kristina Hänel wusste um die rechtliche Situation, gleichwohl sah und sieht sie ihre Pflicht darin, Frauen bei ungewollter Schwangerschaft medizinisch zu versorgen.
Um die sexuelle Selbstbestimmung und damit den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu gewährleisten, muss es ausreichend Zugang zu Ärzt*innen geben, wozu notwendigerweise Informationen verfügbar sein müssen.
Der Paragraf 219a, ein Relikt aus dem Jahre 1933, fundamentiert die Stigmatisierung von Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden!
Der Paragraf 219a konterkariert die freie Ärzt*innenwahl!
Der Paragraf 219a bringt Ärzt*innen, die eine Pflicht zur medizinischen Versorgung und damit verbunden Aufklärungspflicht haben, vor Gericht!
Die Mitglieder des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung solidarisieren sich mit Kristina Hänel und weiteren Ärzt*innen, die nach § 219 angeklagt wurden und werden. Wir fordern weiterhin die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218/219 StGB.
DAS BÜNDNIS FÜR SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG
Das „Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“ wurde 2012 gegründet und organisiert seither Proteste gegen den jährlich stattfindenden, bundesweiten sogenannten “Marsch für das Leben”. Das Bündnis ist ein breiter Zusammenschluss aus Beratungsstellen, Verbänden, politischen Gruppierungen und Parteien. Eine der Kernforderungen ist der uneingeschränkte Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch und die Streichung des Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Weiterhin fordert das Bündnis eine geschlechter- und kultursensible Sexualaufklärung für alle und angemessene Unterstützung für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung (AG Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Telefon: 0160-3772208
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