Bans Off Our Bodies Berlin am 29. Mai (auf Deutsch)

Kris ist aktiv bei Bans Off Our Bodies Berlin und ist Pro-Choice-Aktivistin.

Hi yʼall. Mein Name ist Kris. Danke, dass ihr alle hier seid! Jede Stimme zählt! Und gemeinsam sind wir stärker!

Am Montag erschien ein Bericht, der befürchten lässt, dass wir vor einem großen Umbruch in der US-amerikanischen Gesellschaft stehen: Der Oberste Gerichtshof könnte das Grundsatzurteil  Roe v. Wade von 1973 aufheben, mit dem ein verfassungsmäßiges Recht auf Schwangerschaftsabbruch festgeschrieben worden war.

Sollte es dazu kommen, würde die Entscheidung über den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch wieder in der Hand der Bundesstaaten liegen und ein halbes Jahrhundert des Fortschritts wäre rückgängig gemacht. Noch hat der Oberste Gerichtshof nicht entschieden, und deswegen sind wir heute hier. Wir sind hier, um für Fortschritt in der ganzen Welt und gegen Rückschritte in Mississippi und in den USA insgesamt zu kämpfen.

Als ich Anfang dieser Woche von dem Urteilsentwurf eines Richters des Obersten Gerichtshofs in Politico erfuhr, war ich fassungslos. Ich konnte es nicht glauben. Ich bin in Mississippi aufgewachsen und wusste immer, dass es nicht einfach war, einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen, aber wir alle wussten, wo es heimlich möglich war. Es war nicht ungewöhnlich, vier Stunden in die Hauptstadt des Bundesstaates zu fahren, weil dort zurzeit die einzige Abtreibungsklinik im Staat Mississippi ist.

Es ist praktisch unmöglich, die Klinik zu betreten, ohne von klerikalen Abtreibungsgegnern angeschrien zu werden. „Ma’am, wenn Sie schwanger sind, können wir Ihnen helfen!“, und „Mami, Mami, töte mich nicht!“.

Dieselben Demonstranten versuchen auch, Ärzte daran zu hindern, Verhütungsmittel auszugeben. Sex soll nur der Fortpflanzung dienen, sagen sie.

Auch ich bin mit diesen Ideen aufgewachsen. Sex vor der Ehe ist gefährlich und böse, was verwirrend war, da ich viele Menschen kannte, die Sex hatten und nicht böse waren.

Ich versuchte, mich dieser Verwirrung zu entziehen, indem ich Sex mied und meine Tage mit anderen Dingen füllte, zum Beispiel Arbeit. Als ich 18 Jahre alt war, wurde ich aber auf der Arbeit vergewaltigt.

Ich erinnere mich, dass ich kotzen wollte. Ich könnte gerade kotzen, wenn ich nur daran denke.

Ich hatte das Gefühl, dass ich es irgendwie hätte verhindern müssen, dass ich hätte vorbereitet sein müssen, dass ich hätte verhüten müssen.

Ich wusste nicht, ob ich schwanger werden würde oder wie ich mich entscheiden würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, vor einer Klinik von Demonstranten angeschrien zu werden, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, mit 18 ein Kind zur Welt zu bringen, das mich an den Mann erinnern würde, der mich vergewaltigt hatte.

Ich konnte es niemandem sagen, ich konnte nichts tun, also habe ich einfach gewartet.

Ich hatte Glück.

Ich wurde nicht schwanger.

Und warum erzähle ich euch das alles? Wir müssen das Bild von Schwangerschaftsabbrüchen ändern.

Wenn ich an mein 18-jähriges Ich zurückdenke, wird mir klar, dass ich zu viel Angst hatte, es jemandem zu sagen. Ich traute mich auch nicht, mir von der Arbeit und der Uni freizunehmen, um in eine Klinik zu gehen.

Wenn Roe v. Wade gekippt wird, werden Leute wie ich, Frauen und Mädchen aus Mississippi, nicht wenige Stunden zur nächsten Klinik fahren, sondern zehn Stunden einfache Fahrt nach Illinois. Vorausgesetzt, Staaten wie Illinois ändern nicht auch ihre Meinung.

Wer wird die Zeit, das Geld und die Unterstützung haben, um 24 Stunden oder länger unterwegs zu sein, um einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen?

Ich höre immer wieder, Mississippi sei der sicherste Bundesstaat für „die Ungeborenen“. Aber was ist mit den Geborenen?

Eines von drei Kindern in Mississippi lebt in Armut.

Über 46.000 Kinder sind nicht krankenversichert.

Und was ist, wenn Mütter und Kinder es gar nicht erst schaffen? In Mississippi liegt die Müttersterblichkeitsrate bei 33 (auf 100.000 Lebendgeburten) – fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der USA –, und Mississippi weist die höchste Kindersterblichkeitsrate auf.

Diesen Politikern ist das Leben egal, und doch behaupten sie, sie seien für das Leben.

Sie sind nicht einmal für Geburten oder gesunde Schwangerschaften. Hier geht es ganz einfach um Kontrolle.

Das Problem ist, dass Abtreibungen nicht durch Verbote gestoppt werden können. Es wird sie weiterhin geben. Die Menschen wissen, wann sie sich ein Kind überhaupt leisten können und wann nicht. Sie wissen, wann sie sich eine Schwangerschaft leisten können und wann nicht. Sie wissen, wann sie ein Kind wollen und wann nicht. Sie werden ihr Leben riskieren, sie werden ihr Leben verlieren, um abtreiben zu können.

Ob illegal oder nicht, Abtreibungen finden statt.

Die Ächtung und das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen verhindern lediglich sichere Schwangerschaftsabbrüche, ohne Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren.

Das Verbot der sogenannten Werbung für sichere Abtreibungen, also notwendiger Informationen, führt nur zu mehr unsicheren Abtreibungen.

Stimmt ihr mir zu?

Ich bin der Meinung, dass wir umfassende Informationen und Zugang zu dem gesamten Spektrum der reproduktiven Gesundheitsfürsorge verdienen, einschließlich sicherer, legaler Abtreibungen – damit wir unsere eigenen Entscheidungen auf der Grundlage umfassender Information treffen können.

WERDEN WIR ES ZULASSEN, DASS DER SUPREME COURT UNS DIESE RECHTE NIMMT?

Ich glaube, dass die Bürger*innen Mississippis einen Anspruch auf volle Information  und freien Zugang zu Schwangerschaftsabbruch haben, ich glaube, dass alle US-Amerikaner*innen und Deutschen dies ebenfalls verdienen. Ich glaube wirklich, dass wir alle das verdient haben!

Ich danke euch.

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