Ich habe keine Gebärmutter, doch sogar ich bin sauer!

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Es war an einem dunklen Winternachmittag in Berlin. Ein Sonntag. Eine spanische Austauschstudentin und ich liefen durch Prenzlauer Berg, vergebens auf der Suche nach einer/m Gynäkolog*in, um die „Pille danach“ zu bekommen. In Deutschland muss diese von einer/m Arzt*in verschrieben werden, an Sonntagen ist jedoch kaum eine Praxis geöffnet.

Aber wir sind nicht die Einzigen, die diese Erfahrung machen mussten. Eine Freundin von mir wartete ebenfalls an einem Sonntag über 90 Minuten in einem Krankenhaus, bis sie es aufgab und am nächsten Tag zur/m Ärzt*in ging. Eine andere Freundin brach in einer Apotheke in Tränen aus – Die Apothekerin händigte ihr daraufhin aus Mitleid die „Pille danach“ ohne Rezept aus.

Warum sollte irgendjemand solche Strapazen ertragen müssen? Je früher die Pille eingenommen wird, desto wirkungsvoller ist sie. Hinzu kommt, dass das deutsche Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Medikament als wesentlich sicherer deklariert hat, als es im Jahr 2003 war. Gibt es also noch einen medizinischen Grund für die Rezeptpflicht?

Nein. Da ist nur eine Riege von (meistens männlichen) konservativen Politiker*innen, die auf die unnötigen Wege zu einer/m Ärzt*in bestehen. Sie scheinen zu glauben, dass eine Frau, die ein normales Sexualleben (in welchem auch mal ein Notfall passieren kann) führt, es verdient hat, Opfer solcher Demütigungen zu werden.

Und das ist nur ein Beispiel dafür, dass das Sexualrecht in Deutschland lange nicht so weit entwickelt ist, wie wir vielleicht glauben. Der berüchtigte Paragraf 218 im Strafgesetzbuch – gegen den schon in den 1970ern Millionen Menschen protestiert haben – belegt Abtreibung immer noch mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren. Zwar sieht das Gesetz in manchen Fällen, wenn eine Frau bspw. vergewaltigt wurde, ihre Gesundheit in Gefahr ist oder in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft, von einer Bestrafung ab. Bedingung herfür ist jedoch, dass die Frau zu einer durch den Staat finanzierten Beratungsstelle geht und im Anschluss daran drei Tage über ihre Entscheidung nachdenkt. Es ist außerdem verboten, öffentlich für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu werben. Bis zu zwei Jahren Gefängnis drohen dafür, was auch die Verbreitung von Informationen über das Internet enorm erschwert.

Selbst die Vergewaltigung ist im modernen Deutschland technisch gesehen nicht illegal. Es ist verboten, jemanden gewaltsam oder unter Androhung von Gewalt zum Sex zu zwingen. Sex mit einer Person zu haben, obwohl diese es nicht möchte, ist an sich kein Verbrechen. Das bedeutet: Ein Richter urteilt in Anbetracht der Frage, wie sich ein Opfer physisch verteidigt hat – ein Gericht in Essen entschied, dass der Vergewaltiger einer 15-Jährigen kein Verbrechen begangen habe, da das Mädchen weder schrie noch ihren Angreifer kratzte.

An nächsten Samstag werden am Brandenburger Tor wieder Fundamentalist*innen und Abtreibungsgegner*innen – sogenannte Lebensschützer*innen aka 1000 Kreuze – gegen das stark beschränkte Recht auf Abtreibung protestieren. Leider handelt es sich dabei nicht um eine verrückte Gruppe am Rande der Gesellschaft. Tausende von Menschen nehmen jedes Jahr an der Demonstration teil, geleitet von Grußwörtern von CDU-Politiker*innen und katholischen Bischöfen. Bischöfe, die von deinen Steuern bezahlt werden, egal ob du katholischen Glaubens bist oder nicht!

Im Ernst, es ist mir egal, ob diese keuschen Männer die „Pille danach“ nicht für sich selbst haben wollen. Aber sie haben kein Recht von ihren mit staatlichen Geldern finanzierten Krankenhäusern zu verlangen, Opfern sexueller Gewalt ein sicheres, zuverlässiges Arzneimittel zu verweigern!

Ich werde nächsten Samstag auf die Straße gehen und dort gemeinsam mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung für die freie Wahl einer jeden Frau demonstrieren. Denn so lässt sich der Tag viel schöner verbringen, als auf der verzweifelten Suche nach einer/m Gynäkolog*in.

Protest: Samstag, 20. September 2014, 13 Uhr auf dem Platz des 18. März

John Riceburg: I don’t have a womb and even I’m pissed off!
ist zuerst erschienen beim Exberliner-Magazin

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