Call for action – Zugang zu Abtreibungen in Europa schützen Ein Aufruf zum Handeln!

Center for
Reproductive
Rights

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten in Sachen Dobbs vs. Jackson Women’s Health Organisation kippt Roe v. Wade und nimmt damit das US-Verfassungsrecht auf Schwangerschaftsabbrüche zurück. Die Entscheidung wird tiefgreifende und verheerende Auswirkungen haben.

Als lokale und globale Organisationen, die in Europa für Frauenrechte, Menschenrechte sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte

arbeiten, drücken wir unsere tiefe Verbundenheit mit den Millionen Menschen

in den Vereinigten Staaten aus, denen das Recht auf grundlegende reproduktive

Gesundheitsversorgung als Folge dieser Entscheidung genommen wurde, und mit allen, die dafür gekämpft haben, dieses Recht zu schützen und zu bewahren.

Wir sind tief besorgt über die verheerenden Folgen, die dieses rückschrittliche Urteil für das Leben, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen in den Vereinigten Staaten haben wird.

Die Auswirkungen werden die Menschen am härtesten treffen, die bereits jetzt mit

diskriminierendem und eingeschränktem Zugang zur gesundheitlichen Versorgung

konfrontiert sind, was People of Color, solche, die in ländlichen Gebieten leben, junge Menschen und diejenigen, die ein niedriges Einkommen haben einbezieht.

Quer durch Europa haben Entscheidungsträger*innen zahlreicher Länder ihre Meinung und ihre tiefe Bestürzung und Besorgnis als Reaktion auf dieses Urteil geäußert. Wir begrüßen deren Solidaritätsbekundungen mit allen, die reproduktionsmedizinische Versorgung in den USA benötigen und begrüßen ihr Engagement, die reproduktiven Rechte zu verteidigen.

Wir fordern sie auf, konkrete Schritte zu unternehmen, um dieses Anliegen in die Tat

umzusetzen und den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch im eigenen Land voranzubringen und zu schützen. Im Jahr 2022 ist ein Abbruch in fast allen europäischen Ländern legal. Allerdings bestehen in den meisten Ländern eine Reihe von schwerwiegenden Barrieren und Einschränkungen beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen weiter. In vielen Ländern gelten Gesetze und Vorschriften, die:

• Schwangerschaftsabbrüche kriminalisieren, indem Gesetze Personen, die einen Abbruch wünschen, medizinische Fachkräfte oder andere, die sie unterstützen, mit Strafverfolgung bedrohen.

• Pflichtberatungen verlangen, obligatorische Wartezeiten vorschreiben und restriktive Fristen für den Abbruch setzen.

• Einschränkungen machen, wo und von wem Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden dürfen, beispielsweise nur in Verbindung mit einem stationären Krankenhausaufenthalt oder dass Abbrüche nur von Ärzt*innen durchgeführt werden dürfen.

• die Zulassung eines medikamentösen Abbruchs vollständig verhindern

oder eine patientenzentrierte Entscheidungsfindung für den medikamentösen Abbruch in der frühen Schwangerschaft nicht zulassen sowie die Legalisierung der Telemedizin für den medikamentösen, selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch ausschließen.

• die Prüfung der Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch durch Dritte zur Bedingung machen, indem eine Genehmigung durch mehrere Ärzt*innen oder medizinische Ausschüsse oder Strafverfolgungsbehörden verlangt wird.

Solche Barrieren und Beschränkungen beruhen auf veralteten medizinischen Praktiken und überkommenen Geschlechterstereotypen und verletzen die Menschenrechte. Sie widersprechen den Empfehlungen der internationalen Menschenrechtskonventionen und deren Mechanismen (hier insbesondere CEDAW, ergänzt durch C.v.R.) sowie den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Sie dienen keinem anderen Zweck als der Verzögerung des Zugangs zu einer zeitnahen Versorgung und der Verstärkung der mit einem Abbruch verbundenen Stigmatisierung und sie verhindern eine patientenorientierte Versorgung, indem die Möglichkeit des medizinischen Fachpersonals, nach internationalen Best Practices zu behandeln, blockiert wird.

Aktuelle Ereignisse in Europa haben die gravierenden Auswirkungen dieser veralteten Anforderungen und Hindernisse ans Licht gebracht. Die COVID-19-Pandemie hat beispielhaft gezeigt, wie wichtig es ist, die Verpflichtung für

medizinisch unnötige Reisen in medizinische Versorgungseinrichtungen oder unnötige obligatorische Krankenhausaufenthalte zu unterbinden.

Der Krieg in der Ukraine bringt den ernsthaften Schaden ans Licht, der durch strenge

Rechtsvorschriften und Barrieren zur Abtreibung verursacht wird. Flüchtende aus der

Ukraine, die Zugang zu einer Abtreibung in den Nachbarstaaten suchen, sehen sich einer Reihe von gesetzlichen und politischen Hemmnissen gegenüber, die eine zeitnahe Behandlung massiv behindern oder die Versorgung gänzlich verhindern.

Seit Jahrzehnten war die generelle Zielrichtung europaweit, Gesetze und Richtlinien zum Abbruch zu verbessern, Beschränkungen aufzuheben und Vorschriften

enger an Menschenrechtsstandards und Empfehlungen zur öffentlichen Gesundheit

anzupassen. Gerade in den letzten Monaten haben mehrere europäische Staaten Reformen verabschiedet, um Barrieren zu beseitigen. In mehreren Ländern sind weitere Gesetzesreformen auf den Weg gebracht worden.

Wir begrüßen diese wichtigen Bemühungen der Gesetzgeber*innen!

Tatsächlich halten nur noch sehr wenige europäische Länder – Andorra, Liechtenstein, Malta, Monaco und Polen – höchst restriktive Gesetze aufrecht, die internationale Verpflichtungen zum Einhalten der Menschenrechte und evidenzbasierte Richtlinien zum öffentlichen Gesundheitswesen völlig außer Acht lassen. Jedoch besteht nach wie vor die Notwendigkeit, reproduktive Rechte und den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen überall in Europa zu stärken und zu schützen. In den letzten Jahren haben rückschrittliche Attacken auf die reproduktiven Rechte in Polen die Öffentlichkeit schockiert und in einigen anderen mittel- und osteuropäischen Ländern wurden neue Zugangsbarrieren zu Abbrüchen von den Gesetzgeber*innen eingeführt.

Es ist jetzt an der Zeit, von der reinen Unterstützung sexueller und

reproduktiver Rechte zur Tat überzugehen. Wir rufen europäische Entscheidungsträger*innen und Gesetzgeber*innen auf, ihre

Anstrengungen zu intensivieren, zu beschleunigen und neue Initiativen zu starten, um die Barrieren zum Zugang und zur Versorgung für Schwangerschaftsabbrüche aufzuheben.

Wir fordern die Reform von Gesetzen und Regularien entsprechend der WHO Richtlinien, um:

° Schwangerschaftsabbrüche vollständig zu entkriminalisieren und evidenzbasierte Informationen zur Verfügung zu stellen.

°verpflichtende Wartezeiten und verpflichtende zielgerichtete

Beratungen vor einem Abbruch abzuschaffen.

°restriktive Fristen zum Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu revidieren und Genehmigungsbedingungen zum Abbruch durch Prüfung der Gründe durch Dritte abzuschaffen.

°Vorschriften entsprechend der internationalen Best Practices und der WHO Leitlinien zu ändern, wer Schwangerschaftsabbrüche durchführen und begleiten darf und wo die Versorgung zum Abbruch angeboten werden darf.

°einschränkende Vorschriften für den medikamentösen Abbruch

abzuschaffen und den telemedizinischen Versand sowie das

Selbstmanagement von Medikamenten zum Schwangerschaftsabbruch gemäß der WHO Richtlinien zu legalisieren.

Es handelt sich hierbei um eine freie, unautorisierte und nicht professionelle Übersetzung durch das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung durch Christiane von Rauch, 31.07.2022

Original englische Version in PDF

Deutsche Übersetzung PDF

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