Herausforderungen an das sozialpolitische Engagement in Zeiten von Covid-19
Eigentlich hätte vom 13. bis 15. März in Göttingen das erste bundesweite Vernetzungstreffen von Aktivist*innen aus verschiedenen Pro-Choice Bündnissen und Initiativen für sexuelle Selbstbestimmung und den freien und sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen stattfinden sollen. Aufgrund des Coronavirus hatten sich die Organisator*innen jedoch wenige Tage zuvor entschlossen, das Treffen abzusagen – aber zum Glück doch nicht ganz: spontan konnte noch eine Videokonferenz mit Alternativprogramm auf die Beine gestellt werden.
Über 4 Stunden lang tauschten sich die Pro-Choice-Aktivist*innen im virtuellen Raum miteinander aus. Mithilfe von virtuellen Kleingruppenräumen konnte viel Wert auf Kennenlernen und das Erarbeiten nächster Schritte gelegt werden. Es ging dabei vor allem um Schwerpunkte zukünftiger Aktivitäten und Aktionsformen, Weiterentwicklung der Forderungen der Bewegung sowie eine professionelle bundesweite Organisationsstruktur. In einer Art Podiumsdiskussion wurde die sich verschlechternde Situation aufgrund der Paragrafen 218/219a StGB für Ärzt*innen, Beratungsstellen und ungewollt Schwangere besprochen und Perspektiven für Bündnisse und die Bewegung erörtert.
Spätestens seit der Anklage gegen Kristina Hänel aufgrund des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch ist die Thematik sexueller Selbstbestimmung, zum Beispiel in Bezug auf den Zugang zu sicherem Schwangerschaftsabbruch, in den bundesweiten Fokus geraten. In der Folge haben sich in vielen Städten bundesweit Pro-Choice Bündnisse gegründet – so auch in Göttingen.
Die Ziele der weltweiten Pro-Choice-Bewegung liegen in der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung: Die Gruppen in Deutschland fordert unter Anderem die gänzliche Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Gesetzbuch, also §§219 und 218, die flächendeckende medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen, sowie kostenlose Verhütungsmittel für alle.
Für die Organisator*innen ist klar: „Wir werden in den kommenden Wochen eine voranschreitende Verlagerung des gesellschaftlichen Lebens in den virtuellen Raum erleben. Wir freuen uns, dass von den ursprünglich 80 angemeldeten Teilnehmer*innen fast 40 das Format der Videokonferenz größtenteils ohne Vorkenntnisse ausprobierten. Für unser Empfinden war dieses erste Treffen ein voller Erfolg!“
Ein besonderer Dank geht an die Aktivist*innen in Göttingen, die bereits sehr viel Arbeit in die Vor- und Nachbereitung der Infrastruktur gesteckt hatten, sowie an die Einzelpersonen und Institutionen, die das Bündnis trotz Absage finanziell unterstützen und nicht stornierbare Kosten übernommen haben.
Wer auch im Nachhinein noch spenden und unterstützen möchte, findet alle Spendeninfos auf der Homepage www.sexuelle-selbstbestimmung.de/spenden.
Nach einem Auftakt im Dezember 2018, mit einem ersten recht spontanen bundesweiten Aktionstag in 7 Städten, hatte die Pro-Choice Bewegung in Deutschland im September 2019 bereits zwei dezentrale Aktionstage in jeweils über 30 Städten auf die Beine gestellt. Die regionalen Pro-Choice Gruppen setzen sich auf vielfältige Weise im Rahmen von Aktionstagen sowie Aufklärungs- und Vernetzungsarbeit für die Entstigmatisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der Anerkennung körperlicher Selbstbestimmungsrechte ein. Ebenso begegnen sie denjenigen mit Protesten, die Schwangerschaftsabbrüche stärker kriminalisieren und einschränken wollen oder ungewollt Schwangeren vor Arztpraxen oder Beratungsstellen auflauern und unter Druck setzen wollen.