Grußwort von Mechthild Rawert

Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit und Sprecherin der Landesgruppe Berlin in der SPD-Bundestagsfraktion.

Liebe Partnerinnen und Partner des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, liebe Anwesende,
sehr geehrte Damen und Herren,

mitten durch die Bundeshauptstadt marschieren heute selbst ernannte Lebensschützer,

  • die uns das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung absprechen,
  • die die sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht nicht anerkennen und
  • die sich gegen die hart erkämpften Rechte von Frauen und auch von homosexuellen Menschen wenden.

Es ist ein Skandal,

  • dass im Jahre 2013 religiöser Fundamentalismus und reaktionäre Ansichten auf fruchtbaren Boden treffen,
  • dass wir weltweit wachsende Bewegungen sehen, die lautstark gegen Schwangerschaftsabbrüche und gegen die Rechte von Homosexuellen demonstrieren,
  • dass Homophobie – wie gerade in Russland geschehen – geltendes gegen die Menschenwürde und gegen die Menschenrechte verstoßendes Recht wird.

Als Feministin und Gesundheitspolitikerin setze ich mich für die sexuelle Selbstbestimmung ein. Ich habe im Deutschen Bundestag einen Antrag auf die verschreibungsfreie Abgabe der „Pille danach“ eingebracht. Nicht zuletzt der Umgang mit der jungen Frau in Köln, die nach einer Vergewaltigung unter Einsatz von KO-Tropfen, Hilfe in 2 katholischen Kliniken suchte und wegen ihres Wunsches nach der „Pille danach“ abgewiesen wurde, zeigt mir, dass die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ eine Notwendigkeit für die Durchsetzung der sexuellen Selbstbestimmungsrechte ist.

Die schwarz-gelbe Mehrheit im Deutschen Bundestag hat meinen Antrag zwar abgelehnt, dennoch bin ich frohen Mutes, dass wir einen weiteren Meilenstein für sexuelle Selbstbestimmung setzen können. Denn der Bundesrat hat sich bereits für die verschreibungsfreie Abgabe der „Pille danach“ ausgesprochen.

Als Gesundheitspolitikerin sehe ich mit Sorge nicht nur,

  • dass die so genannten Lebensschützer Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen unter Druck setzen,
  • dass sie vor Arztpraxen und Kliniken demonstrieren,
  • dass sie Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, verunsichern.

Ich sehe auch mit Sorge, dass sie zum Teil selber Ärztinnen oder Ärzte sind, die ihre eigenen Wertevorstellungen gegenüber ihren Patientinnen durchsetzen wollen und gegen ihren hippokratischen Eid verstoßen.

In Berlin kann sich frau, die den Wunsch nach der „Pille“, der„Pille danach“ oder einem Schwangerschaftsabbruch äußert und dabei auf einen selbsternannten Lebensschützer trifft, relativ problemlos einen anderen Arzt oder eine Ärztin suchen. Aber das ist leider nicht überall in Deutschland möglich. In Flächenländern auf dem Lande mit einem geringen Versorgungsgrad an Fachärztinnen und –ärzten kann frau es sich nicht unbedingt aussuchen zu welchem Arzt sie geht. Denn es gibt unter Umständen in erreichbarer Nähe nur diesen Arzt, diese Ärztin.

Doch die so genannten Lebensschützer wenden sich nicht nur gegen das selbstbestimmte sexuelle Reproduktionsrecht von Frauen. Sie greifen alle an, die nicht nach ihren – wie sie meinen – christlichen Moralvorstellungen leben.

Ich bin Katholikin, aber ich füge mich nicht den Moralvorstellungen, die von der katholischen Amtskirche vertreten werden. Deshalb bin ich froh, dass wir hier heute alle stehen und für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht demonstrieren.

Die so genannten Lebensschützer sind nicht irgendwelche einflusslosen Verwirrte, die als „harmlose Spinner“ abgetan werden könnten. Nein, unter ihnen sind auch zahlreiche Bundestagsabgeordnete der Union.

Ich nehme an, dass die morgige Bundestagswahl dafür gesorgt hat, dass die Kollegin Ingrid Fischbach, MdB und die Kollegen

  • Hubert Hüppe, MdB, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung,
  • Volker Kauder, MdB,
  • Philipp Mißfelder, MdB,
  • Dr. Georg Nüßlein, MdB sowie der Kollege aus dem EU-Parlament, Martin Kastler, MdEP,

die im letzten Jahr noch den „Marsch für das Leben“ mit Grußworten ausstatteten und versicherten, dass sie die Ziele der Lebensschützer auch weiterhin unterstützen würden, aus wahlkampftaktischen Gründen in diesem Jahr auf ein Grußwort verzichtet haben.

Nur der Kollege Patrick Sensburg von der CDU, hat den Wahlkampfschuss nicht gehört und in diesem Jahr ein Grußwort verfasst.

Ich habe deshalb zum Schluss zwei Bitten: Gehen Sie wählen! Geben Sie Ihre Stimme denjenigen, die für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht eintreten.

Denn die selbst ernannten Lebensschützer laufen nicht nur mit weißen Holzkreuzen durch Berlin und bedrängen nicht nur Ärzte und Ärztinnen  und deren PatientInnen. Sie versuchen auch Einfluss auf unsere Gesetzgebung im Bund und in den Ländern zu nehmen. Das können wir nicht hinnehmen.

Sexuelle Selbstbestimmung ist ein schwer erkämpftes Menschenrecht, das wir uns auf keinen Fall nehmen lassen dürfen. Vielen Dank!

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