Bündnis Redebeitrag auf Aktionstag Leben.Lieben.Selbstbestimmt. 

Liebe Aktivistinnen und Aktivisten,

auch ich möchte mich im Namen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung herzlich bei euch bedanken, dass ihr trotz der erschwerten Pandemie-Bedingungen heute hierher gekommen seid.

Nur gemeinsam können wir heute ein klares Signal für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung setzen.Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass den Abtreibungsgegnern auf der anderen Seite des Brandenburger Tors ihre Lügen und ihre Scheinheiligkeit nicht unwidersprochen bleiben.

Das diesjährige Motto Leben. Lieben. Selbstbestimmt und die Programmbeiträge auf der Kundgebung sollen zeigen, wie vielfältig unsere Anliegen sind.

Es geht uns erstens um Selbstbestimmung über unsere Körper und unser Geschlecht. Und wir streiten dabei nicht nur für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, also für die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch, sondern wir streiten auch gegen Diskriminierung von Trans- inter- und nichtbinären Personen. Wir wollen selbst über unsere Körper entscheiden, über unsere Uteri und über unsere Geschlechtsidentität.

Es geht uns zweitens um das Recht auf selbstbestimmte Lebensentwürfe, um ein selbstbestimmtes und diskriminierungsfreies Liebesleben und um die Akzeptanz alternativer Familienformen. Wen wir lieben, wie wir leben und wer Familie ist, entscheiden immer noch wir!

Und es geht uns drittens um internationale Solidarität und Antirassismus, wenn wir uns mit den Kämpfen für Selbstbestimmung sowohl in anderen Ländern solidarisieren als auch diese hier in Deutschland gemeinsam mit diskriminierten Gruppen führen. Denn unser Feminismus ist international und antirassistisch!

Und wenn wir uns die Drahtzieher hinter dem sogenannten „Marsch für das Leben anschauen, dann sehen wir, dass sie eben gerade nicht für Menschenrechte, nicht für Frauenrechte und auch nicht für das Leben stehen – wie sie immer unablässig behaupten. Im Gegenteil haben diese christlich fundamentalen und rechtskonservativen bis teilfaschistischen Gruppen, Organisationen und Parteien zutiefst reaktionäre, autoritäre, menschenverachtende Vorstellungen einer Gesellschaft, in der wir alle auf keinen Fall leben wollen!

Sie nennen sich Lebensschützer, doch das ist reine Heuchelei. Mit ihren Positionen riskieren sie weltweit das Leben von ungewollt Schwangeren, die keinen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbruch haben. Oder sorgen mit LGBTIQ freie Zonen für lebensbedrohliche Bedingungen von queeren Personen – wie wir in anderen Ländern leider schon beobachten können.

Aus der deutschen Parteienlandschaft hat sich inzwischen die gesamte Werteunion, also der rechtskonservative Flüggel der CDU, mit dem Marsch der Lebensfeinde solidarisiert. Und die AfD trägt deren Positionen nochmal verschlimmert in die Parlamente. Diese wachsende weltweite Bewegung unter dem Decknamen „Pro-Life“ also „für das Leben“ stellt einen der größten Angriffe auf erkämpfte Frauenrechte, auf die queere Gemeinschaft und auf Selbstbestimmung seit Jahrzehnten dar, aber wir sind hier, um sie zu stoppen!

Und wir gehen in die Offensive: Unsere Pro-Choice Bewegung wächst und wird stärker. Erstmal sind wir hier auf dem Pariser Platz heute in Berlin gegen die Feinde der Selbstbestimmung nicht alleine. An dieser Stelle senden wir einen solidarischen Gruß an die Aktivist*innen des What The Fuck Bündnisses, die heute ihren Protest in Form einer queerfeministischen Ralley auf die Straßen Berlins tragen.

Aber wir sind auch hier in Berlin nicht alleine: Heute ist der Auftakt einer Aktionswoche, die nächsten Montag, am 28.September, dem internationalen Safe Abortion Day ihren Höhepunkt findet. Unter dem Motto „Schwangerschaftsabbruch ist Grundversorgung“ rufen über hundert Organisationen bundesweit auf, in fast fünfzig Städten werden an die hundert Aktionen stattfinden. Und damit sind wir Teil der weltweiten Bewegung für kostenfreien, sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbruch, wir sind solidarisch mit Pro Choice Kämpfen weltweit!

Im Zentrum dieser Bewegung steht, Schwangerschaftsabbruch zu entkriminalisieren, zu enttabuisieren, Schwangerschaftsabbruch zu dem zu machen, was es sein sollte: Teil der regulären Gesundheitsversorgung aller Menschen, die ungewollt schwanger werden können. Für Deutschland ist darum das klare Ziel die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch.

Wir laden euch herzlich ein, in etwa einer Stunde Teil der Fotoaktion zu werden, mit dem wir die Kampagne „150 Jahre Widerstand gegen den Paragrafen 218“ einläuten. Im Jahr 2021 ist es bittere Realität, dass dieser Paragraph seit nunmehr schon 150 Jahren existiert. Und in diesen 150 Jahren reihenweise ungewollt Schwangere sowie Ärztinnen und Ärzte kriminalisiert und vielen Frauen das Leben gekostet hat. Darum werden auch wir in der 150 jährigen Tradition des Widerstands stehen und nicht nachlassen, bis der Unrechtsparagraph gestrichen ist!

Silke Stöckle

(Es gilt das gesprochene Wort)

Kommentare sind geschlossen.