Umfrage Dezember 2022: 83 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus

Nach einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos, die im Dezember 2022 im Auftrag des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung (BfsS) durchgeführt wurde, spricht sich mit 83 Prozent der Befragten eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und die damit verbundene Streichung der Paragrafen 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch aus.

Dabei steht mit 55 Prozent über die Hälfte der Bevölkerung hinter dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und der ersatzlosen Streichung der Paragrafen 218 ff. und fordert, dass die Entscheidung für einen Abbruch allein bei der Frau bzw. schwangeren Person liegen sollte.

Nur eine absolute Minderheit von 9 Prozent möchte den Schwangerschaftsabbruch weiterhin als Straftat im Strafgesetzbuch geregelt sehen. (Abb. 1)

Abb. 1.

Ein weiteres zentrales Ergebnis der repräsentativen Umfrage ist, dass Anhänger*innen aller demokratischen Parteien sich mit 84 bis 93 Prozent sehr deutlich für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und somit gegen die aktuelle Gesetzeslage aussprechen. (Abb. 2)

Abb. 2.

Für das alleinige Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren sprechen sich alle Wähler*innen der Regierungsparteien klar aus (SPD 55 Prozent, B90/DIE GRÜNEN 63 Prozent, FDP 60 Prozent). Damit erhält die Bundesregierung den Auftrag zur ersatzlosen Streichung der Paragrafen 218 ff. aus dem Strafgesetzbuch.

Ebenso unterstützen 73 Prozent der Anhänger*innen der Partei DIE LINKE die sexuelle Selbstbestimmung der Schwangeren.

Doch sogar die Mehrheit (51 Prozent) der CDU/CSU-Anhänger*innen unter den Befragten ist der Ansicht, dass Abbrüche alleinig auf Wunsch der Schwangeren möglich sein müssen. (Abb. 2)

Die Behauptung konservativer Kräfte, mit der jetzigen Form des 218 StGB und seiner paradoxen Straffreiheit des Abbruchs nach Beratungsregelung (Pflichtberatung und Wartefrist) sei 1995 ein gesellschaftlicher Kompromiss geschaffen worden, erweist sich heute, fast 30 Jahre später, entsprechend dieser Meinungsumfrage als realitätsfern.

Die befragten Wähler*innen der konservativen und konservativ-liberalen Parteien sind in der Frage der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland mehrheitlich häufiger dafür als die von ihnen 2021 gewählten Politiker im Deutschen  Bundestag.

Bei den Befragten aus den östlichen Bundesländern (einschließlich Berlin) fällt der Zuspruch für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (Abb. 3)  mit 88 Prozent höher aus als in westlichen Bundesländern (81 Prozent). In den östlichen Bundesländern scheint das Selbstverständnis eines freien, sicheren und kostenfreien Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch historisch tiefer verwurzelt zu sein.

Abb. 3.

Zudem wünschen sich Frauen etwas häufiger (86 Prozent) die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs als Männer (80 Prozent) und einen selbstbestimmten Abbruch auf Wunsch der Schwangeren (58 Prozent zu 52 Prozent). (Abb. 4).

Abb. 4.

Bei der älteren Generation (60 bis 75 Jahre) ist der Wunsch nach Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches mit 83 Prozent stärker ausgeprägt als bei der jüngeren Generation (18 bis 29 Jahre) mit 77 Prozent. (Abb. 5).

Abb. 5.

Auffällig ist hier, dass diejenigen, die aufgrund der Alters- oder Geschlechtsmerkmale aktuell von einer ungewollten Schwangerschaft betroffen sein könnten oder gewesen sein könnten, in der Tendenz stärker zur Forderung der Entkriminalisierung neigen.

28 Prozent aller Befragten sprachen sich zwar dagegen aus, Schwangerschaftsabbrüche weiterhin als Straftat im Strafgesetzbuch zu behandeln, wollen die Entkriminalisierung jedoch nur unter bestimmten Bedingungen.

Alle der im Rahmen der Umfrage vorgeschlagenen Bedingungen fanden dabei Anklang: bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren (89 Prozent); nach einer Vergewaltigung (87 Prozent); bei Fehlbildung des Fötus/Embryos (73 Prozent); aufgrund finanzieller oder familiärer Notlage der Schwangeren (32 Prozent); falls die schwangere Person bereits Kinder hat (9 Prozent).

28 Prozent sprechen sich demnach für Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs aus.

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