Bundestagswahl 2017: Die Parteien und unsere Forderungen

Der Humanistische Verband Deutschlands hat Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 24. September 2017 an verschiedene Parteien verschickt. Dabei hat er im Rahmen des Wahlprüfsteins „Sexuelle Selbstbestimmung und selbstbestimmte Familienplanung“ auch nach folgenden Themen gefragt:

Teilfrage a. Werden Sie sich für die Beibehaltung der Schwangeren-Konfliktberatung und einer weiteren öffentlichen Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen?

Teilfrage b. Befürworten Sie die die kostenfreie Vergabe der „Pille danach“ als Notfallverhütung?

Teilfrage c. Befürworten Sie die umfassende rechtliche Anerkennung aller Formen des Zusammenlebens sowie soziale und ökonomische staatliche Unterstützung und die notwendige Infrastruktur für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können?

Die Antworten der Parteien sind im Folgenden aufgeführt (die Reihenfolge der Antworten bestimmt sich nach Eingangsdatum, zuerst eingegangene Antworten werden zuerst aufgeführt).

Antworten auf alle Fragen können auf der Website nachgelesen werden.

Antwort | DIE LINKE

Teilfrage a – Ja. Wir sind für die Abschaffung der §§ 218 und 219 StGB und für eine dichte Beratungsstellenlandschaft, damit sich Frauen im Falle gewollter oder ungewollter Schwangerschaft beraten lassen können.

Teilfrage b – Ja, und wir fordern, sämtliche Verhütungsmittel in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen.

Teilfrage c – Ja, Familie ist für uns überall da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Und diese Familienverhältnisse wollen wir rechtlich anerkennen und absichern.

Antwort | CDU/CSU

Für CDU und CSU ist Familie überall dort, wo Menschen miteinander dauerhaft verbunden oder verwandt sind und Verantwortung füreinander übernehmen. CDU und CSU wollen Familien ermöglichen so zu leben, wie sie leben wollen. Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens.

CDU und CSU sehen einen ausgewogenen Maßnahmenmix aus Geld, Zeit und Infrastruktur als den richtigen Weg an, Familien zu unterstützen. Wir wollen die finanzielle Situation von Familien spürbar verbessern. Dazu werden wir den Kinderfreibetrag auf das Niveau des Erwachsenenfreibetrages in zwei Schritten anheben und das Kindergeld um 25 Euro je Kind und Monat erhöhen. Weitere Verbesserungen wird es mit uns für Familien beim Erwerb von Wohneigentum geben. Wir werden ein Baukindergeld in Höhe von 1.200 Euro je Kind und pro Jahr einführen, das über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt werden soll. Darüber hinaus wird es Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für Erwachsene und Kinder geben.

Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Blick auf familiäre Fürsorgeaufgaben von Kinderbetreuung bis zur Pflege von Angehörigen weiterentwickeln. Unter der Regierungsverantwortung von CDU und CSU haben wir den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag des Kindes bis zur Grundschule eingeführt. Künftig steht für uns die Weiterentwicklung der Qualität der Betreuungsangebote im Fokus. Um auch Betreuungsmöglichkeiten im Grundschulalter verbindlich sicherzustellen, wollen wir einen Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter einführen.

Uns ist daran gelegen, dass Familien mehr Zeit füreinander und miteinander haben. Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet Chancen auf neue Arbeitsplätze, Märkte und Technologien, um das Leben der Menschen zu verbessern. Mit neuen Arbeitszeitmodellen wollen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Dabei kann uns die Digitalisierung helfen. Das Arbeitszeitrecht werden wir modernisieren. Wir werden prüfen, ob im Rahmen von Familien- und Lebensarbeitszeitkonten mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann.

Antwort | Bündnis 90/Die Grünen

Teilfrage a – Wir setzen uns für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen über ihren Körper ein. Bei ungewollter Schwangerschaft brauchen Frauen wohnortnahe Unterstützung und Hilfe, keine Bevormundung und keine Strafe. Erst recht brauchen sie keinen Rückschritt bei bereits erkämpften Rechten und keine Einschränkungen erreichter Freiheiten. Nicht die strafrechtliche Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern qualifizierte und ergebnisoffene Beratung ist geeignet, die Frauen bei ihrer Entscheidung zu unterstützen und ihnen in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen.

Teilfrage b – Wir setzen uns dafür ein, dass nach einer Vergewaltigung auch die „Pille danach“ zur Verfügung gestellt und finanziert wird. Für Menschen mit geringem Einkommen wollen wir den kostenfreien und unkomplizierten Zugang zu Verhütungsmitteln sicherstellen. Eine generell kostenfreie Abgabe lässt sich schwer begründen. Warum sollte die Pille danach anders behandelt werden als andere frei verkäufliche Verhütungsmittel (z.B. Kondome), die auch heute schon selbst zu finanzieren sind.

Teilfrage c – In unserer Gesellschaft gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Formen des Zusammenhalts und miteinander Lebens. Wir wollen diese Vielfalt der Familienformen – seien es Ehen mit und ohne Trauschein, Patchwork- und Regenbogenfamilien, Alleinerziehende, Adoptiv- oder Pflegeeltern – anerkennen und, da wo Kinder sind, angemessen fördern. Jedes Kind muss die gleichen Rechte und die gleiche Absicherung haben.

Für viele dieser heute selbstverständlichen Familienkonstellationen gibt es keinen klaren Rahmen, der ihre Rechte benennt und ihre Familienform absichert. Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien und die miterziehenden Eltern ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt und im Alltag stützt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung).

Die Unterstützung der Familien in Form des Ehegattensplittings ist unmodern und bildet die vielen Formen partnerschaftlichen Zusammenlebens nicht ab. Deshalb werden wir zur individuellen Besteuerung übergehen und das Ehegattensplitting durch eine gezielte Förderung von Familien mit Kindern ersetzen. Das neue Recht soll für Paare gelten, die nach der Reform heiraten.

Darüber hinaus wollen wir mit dem Pakt für das Zusammenleben eine neue Rechtsform schaffen, die das Zusammenleben zweier Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von der Ehe rechtlich absichert.

Antwort | SPD

Teilfrage a – Wir wollen werdendes Leben schützen. Das kann nur mit dem Willen, nicht gegen den Willen der Frau geschehen. Deshalb erkennen wir die Verantwortung und das Selbstbestimmungsrecht der Frau an.

Die Reform des Schwangerschaftsabbruchs Mitte der 1990er Jahre basierte auf einem fraktionsübergreifenden Kompromiss. Namhafte Sozialdemokratinnen waren maßgeblich daran beteiligt. Nach jahrzehntelangen ideologischen Grabenkämpfen gelang damals ein historischer Durchbruch. Seitdem können Frauen im Konfliktfall angstfrei entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen können. Die damalige Neuregelung hat zum sozialen Frieden beigetragen. Daran wollen wir nicht rütteln.

Teilfrage b – Frauen in Deutschland wollen und können hinsichtlich ihrer reproduktiven und sexuellen Rechte selbstbestimmt entscheiden – wie es Frauen in anderen Staaten längst tun. Deshalb hat sich die SPD über Jahre dafür eingesetzt, dass Frauen die „Pille danach“ rezeptfrei in der Apotheke kaufen können – für den Fall, dass Verhütungsmethoden fehlgeschlagen haben. Die „Pille danach“ wird für Frauen und Mädchen unter 20 Jahren von den Krankenkassen bezahlt, wenn vorher ein Arzt/eine Ärztin konsultiert wurde.

Darüber hinaus wollen wir aus Steuermitteln für Frauen mit niedrigem Einkommen den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln sicherstellen. Denn Familienplanung darf nicht vom Geld abhängen.

Teilfrage c – Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Für uns ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen – von der Ehe zwischen Mann und Frau über alleinerziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien bis zum gleichgeschlechtlichen Paar.

Wir wollen ein modernes Familienrecht, das diese Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen.

Wir wollen, dass Frauen und Männer sich ihre Kinderwünsche erfüllen und dass sich Mütter und Väter Familie und Beruf so aufteilen können, wie sie es wollen. Damit beides besser zusammengeht, setzen wir in der Familienpolitik auf einen Dreiklang aus Zeit, Geld und Infrastruktur für Familien.

Antwort | FDP

Teilfrage a – Das jetzige Schutzkonzept zum Schwangerschaftsabbruch mit Beratungsgespräch hat sich für uns Freie Demokraten bewährt und nimmt die Verantwortung der Frauen ernst, selbst entscheiden zu können. Wir planen derzeit keine gesetzgeberischen Änderungen.

Teilfrage b – Wir Freien Demokraten sprechen uns für die Selbstbestimmung der Frau aus. Deswegen sehen wir die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ positiv. Je eher die „Pille danach“ nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird, desto größer ist die Chance, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Daher ist es für Frauen in Notsituationen wichtig, dass sie das Präparat schnell und unbürokratisch in der Apotheke erhalten, ohne vorher einen Arzt aufsuchen zu müssen. Insbesondere für junge Frauen in ländlichen Regionen, wo Krankenhäuser rar sind, ist dies in akuten Notsituationen von großer Hilfe.

Teilfrage c – Wir Freie Demokraten freuen uns, dass mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare die Hürden beim Adoptionsrecht genommen wurden. Gleichgeschlechtliche Eltern stehen heterosexuellen Eltern in nichts nach, wie zahlreiche Studien aber auch internationale Erfahrungen zeigen. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden. Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung. Der Staat sollte sich aus den intimen Angelegenheiten heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind. Eizellspenden und nichtkommerzielle Leihmutterschaft sind in vielen Staaten der EU bereits legal und sollten auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden. Zudem muss der Rechtsrahmen für Patchwork- und Regenbogenfamilien verbessert werden. Mehreltern-Familien sind Realität und müssen auch bei der rechtlichen Elternschaft abgebildet werden. Ein Kind kann mehr als zwei Elternteile haben. Für das Kind hat das vor allem Vorteile: mehr Unterhaltsverpflichtete sowie die Absicherung im Todesfall eines Elternteils. Etwaige Unterhaltsverpflichtungen eines Kindes gegenüber den Eltern lassen sich rechtlich so quotieren, dass auch dies nicht zum Nachteil des Kindes wird. Elternschaftsvereinbarungen sollen bereits vor der Empfängnis wirksam geschlossen werden können. Sie sollen Rechtssicherheit für Menschen bringen, die auch ohne Liebesbeziehung gemeinsam Verantwortung für ein gemeinsames Kind übernehmen wollen. Neben der Möglichkeit, diese Elternschaftsvereinbarungen schon vor der Geburt von Kindern rechtswirksam schließen zu können, wollen wir Freie Demokraten auch die Verwandtschaftsverhältnisse von Mehreltern-Familien absichern. Wenn ein Kind mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wird, gibt es keinen biologischen Vater, der für das Kind sorgen will. In diesem Fall soll die eingetragene Lebenspartnerin der Mutter von Geburt an auch rechtlich zweite Mutter sein können. Wir wollen zudem, dass bei Stiefkindadoptionen das Verwandtschaftsverhältnis zu beiden leiblichen Elternteilen erhalten bleibt, sofern dies von Mutter, Vater und adoptionswilligem Stiefelternteil einvernehmlich gewünscht wird und es dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Wir Freie Demokraten setzen uns zudem weiterhin für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsinstitut neben der Ehe ein. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen. Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch neben der Ehe das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht, aber auch im Erbrecht, sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- und Einstandspflichten wie Ehepaare übernehmen.

Kommentare sind geschlossen.