Pille danach

Von Heide Oestreich

Das Kondom war geplatzt. Nach einer betretenen schweigsamen Nacht machte ich mich also auf den Weg ins Krankenhaus, am Wochenende hat ja kein Arzt auf. Dort endloses Warten und dann ein desinteressierter Arzt. Ach ja? Kondom gerissen? Ok, hier ist das Medikament. Fertig. Beratung: Fehlanzeige. Ich hatte alles mögliche über Wirkungen und Nebenwirkungen gehört, nahm die Pille, legte mich erwartungsvoll auf das Bett – und merkte überhaupt nichts. Nach zwei Stunden stand ich wieder auf und setzte mich wieder an die Arbeit für die Uni. Das wars.

Die Fragen kamen später: Wann war der Eisprung? Wie lange wirkt die Pille danach? Nach wieviel Tagen müsste die Menstruation einsetzen? Und was mache ich, wenn sie dann nicht kommt? Nur: das sind alles Fragen, die man nach der Einnahme der „Pille danach“ stellt. Bis zur Einnahme denkt man nur eins: Hoffentlich ist es nicht zu spät. Und genau deshalb ist es gut, wenn man nur zur Apotheke laufen muss und das Medikament ohne Komplikationen bekommt. Ja, es wäre sogar optimal, wenn man eine „Pille danach“ auf Vorrat zu Hause haben könnte. Denn je schneller man sie nimmt, desto sicherer ist die Wirkung. Die Fragen, die danach auftauchen, kann man dann in Ruhe mit der Frauenärztin besprechen, wenn es nötig wird.

Die meisten europäischen Länder trauen den Frauen den Umgang mit einer rezeptfreien „Pille danach“ durchaus zu. Nur Italien und Polen haben neben Deutschland noch eine Rezeptpflicht. Dass es gerade diese beiden katholischen Länder sind, verweist auf die zweite Ebene, die bei dieser Frage eine große Rolle spielt. Die Ebene der Religion. Genauer: des Frauenbildes der Kirchen.

Es ist erst ein Jahr her, da verweigerten die Ambulanzen zweier katholischer Krankenhäuser in Köln einer vergewaltigten Frau die „Pille danach“. Erst nach diesem Skandal fingen die Bischöfe überhaupt erst einmal an, sich mit der Wirkungsweise dieses Medikaments vertraut zu machen. Sie hatten offenbar angenommen, dass es sich um eine Art Abtreibungspille handele. Der Kölner Kardinal Meisner hatte ihre Anwendung auf Druck von Lebensschützer_innen kurz zuvor noch einmal ausdrücklich verboten. Dabei verzögert das Medikament den Eisprung, verhindert also die Empfängnis anstatt eine Schwangerschaft zu unterbrechen.

Auf großen öffentlichen Druck hin bequemten sich die Bischöfe, dies überhaupt erst mal zur Kenntnis zu nehmen – und erlaubten die Anwendung der „Pille danach“ „in Notfällen“. Was soll man dazu sagen? Die Frau war in der Kirche traditionell dazu da, unter Schmerzen Kinder zu gebären. Sie ist verantwortlich für den Sündenfall und deshalb auf jeden Fall weniger wert als ein Mann. Sie hat kein Entscheidungsrecht über ihren Körper. Deshalb darf sie die Empfängnis nicht verhüten und nicht abtreiben. Sie darf nur Sex mit ihrem Ehemann haben und darüber muss die Kirche wachen – wegen der Sündhaftigkeit ihres Körpers. Die Frau würde sonst pausenlos herumvögeln.

Das ist nicht nur ein katholisches Problem. Auch bei den Protestant_innen wirken solche Bilder nach. Der evangelischen Kirche sind dabei ihre eigenen Expert_innen oft zu modern: Ein geplantes, fast fertiges Papier zur Sexualethik hat sie kurzerhand stoppen lassen. Es hatte die positiven Seiten der Sexualität („Sexualität als Gottesgeschenk“) zu sehr betont. In protestantischen Aufklärungsbüchern hieß es lange, man dürfe erst mit seinem Freund schlafen, wenn man sicher sei, dass es echte Liebe sei. Und woher weiß man in diesem Alter, was „echte Liebe“ ist? Weiß man das überhaupt jemals?

Auch heute noch scheint das Bild von der promisken Frau, die gezügelt werden muss, immer wieder durch. Konservative fürchten also mal wieder, dass Frauen leichtfertig mit einem Medikament umgehen, das die Empfängnis verhütet. Sie müssen deshalb vom Arzt kontrolliert werden. Unser neuer Gesundheitsminister Hermann Gröhe schreitet vorneweg – ein langjähriges Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland. Mit ihm schreiten Gynäkologen, die bei der Kontrolle der Frauen nur zu gern mitwirken, wenn man sie denn abrechnen kann. Dass der Rest der Welt sich weitergedreht hat und gute Erfahrungen mit der Rezeptfreiheit macht – was kümmert’s uns?

 

Creative Commons Lizenzvertrag Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons Lizenz und wurde zuerst auf den Seiten des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich Böll Stiftung veröffentlicht.

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