Grußwort von Evrim Sommer

Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, frauen- und entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Die christlichen Fundamentalisten und militanten Abtreibungsgegner vom Bundesverband Lebensrecht und anderen marschieren wieder. Nicht nur für Feministinnen ist es eine Zumutung, dass wir uns jedes Jahr wieder mit ihnen befassen müssen, eigentlich für jede Frau, die über ihren Körper selbst bestimmen will.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns gegen den christlichen Fundamentalismus, der in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, zur Wehr setzen. Mit dem Motto: „Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie“ werden Euthanasie, Sterbehilfe sowie Abtreibung und Mord gleichgesetzt. Jede Organisation, die durch ihre Beratungsarbeit dazu beiträgt, dass eine Frau sich selbst für oder gegen eine Schwangerschaft entscheiden kann, wird der Beihilfe zur Kindstötung beschuldigt. So etwas können wir nicht hinnehmen.

Seit 1871 steht der §218 im deutschen Strafgesetzbuch. Und seitdem kämpfen Frauen – sozialistische wie bürgerliche – für dessen Streichung. Den größten psychologischen Druck übten schon immer die Kirchen auf die Frauen aus.  Auch bevölkerungspolitische Aspekte spielten dabei immer eine Rolle. Lust an der Liebe und Sexualität ohne Zeugung wurde als Sünde gepredigt. Schwule und lesbische Beziehungen wurden (und werden weiterhin) verdammt und als therapierbare Störungen bezeichnet. Die Frau soll vornehmlich Gebärerin und Dienerin ihres Mannes sein – abgesegnet vom „lieben Gott“. Mit dem Slogan „Dein Bauch gehört Dir“ stritten Frauen bereits um die Jahrhundertwende für die Freigabe des Abbruches. Der §218 muss endlich aus dem Strafgesetzbuch!

Illegalisierte Abtreibungen waren schon immer alltäglich und oft teuer und lebensgefährlich. Während sich vermögende Frauen eine medizinisch einwandfreie Abtreibung leisten konnten, waren arme Frauen den häufig lebensbedrohenden Methoden der sogenannten „KurpfuscherInnen“ ausgesetzt. Konfessionell und politisch unabhängige Schwangerschaftsberatungsstellen und medizinische Zentren, die sich jenseits aller ideologischen, moraltheologischen und fundamentalistischen Grundsatzdebatten für einen unverkrampften Umgang mit Sexualität und Schwangerschaft einsetzen und eine medizinisch schonende, professionelle und wohnortnahe Versorgung gewährleisten, haben seit ihrem Bestehen und immer wieder gegen die angeblichen „Lebensschützer“ zu kämpfen. Heute noch müssen sie sich gefallen lassen, dass medizinische Zentren als „Tötungszentren“ bezeichnet werden!

Christliche Fundamentalisten schützen das Leben nicht, sondern gefährden es durch Psychoterror. Sie versuchen, Frauen und Männer in ihrem Grundrecht auf Selbstbestimmung für oder gegen ein (eignes) Kind zu verunsichern. Sie verletzen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.  Das können wir nicht dulden.

Ich sage zu den Teilnehmerinnen des „Marsches für das Leben“ – ich hoffe, Ihr könnt mich hören – ab, Marsch nach Hause mit Euch und wenn Ihr das Leben so sehr schützen wollt, dann fangt bei den Rechten der Frauen an! Es ist kein Platz für reaktionären Fundamentalisten in unserer demokratischen Gesellschaft. Werft Eure Parolen auf den Misthaufen der Geschichte und den Paragrafen 218 auch!

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