Rückblick und Bericht zur Fachkonferenz „Weg mit § 219a StGB! Informationsrecht und sexuelle Selbstbestimmung“

Nach Debatte im Bundestag zu § 219a im Strafgesetzbuch: Politiker*innen konkretisieren Wege zur möglichen Abschaffung anlässlich der Fachkonferenz des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung

Am 23.2.2018, einen Tag nach der Bundestagsdebatte, nutzten die Abgeordneten von SPD, DIE LINKE und B90/Die Grünen und eine Vertreterin der FDP die Einladung zur Fachkonferenz „Weg mit § 219a StGB! Informationsrecht und sexuelle Selbstbestimmung“, um ihre Positionen noch einmal zu erläutern und Lösungsansätze für das weitere Vorgehen zu skizzieren. Zuvor hatte Ines Scheibe, Sprecherin des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, das Ziel der Kampagne „Weg mit § 219a“ bekräftigt. „Wir werden den Druck auf die Politik aufrechterhalten, bis die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch erreicht ist.“

Dr. Eva Högl (SPD), Cornelia Möhring (DIE LINKE) und Ulle Schauws (B90/Die Grünen) zeigten sich aufgerüttelt von den unzutreffenden Argumentationen der Unions- als auch der AfD – Redner*innen. Die Union habe das Angebot eines Kompromisses ausgeschlagen, so Schauws. Auch deshalb müsse die Forderung der Streichung des 219a aus dem Strafgesetzbuch aufrechterhalten werden. Die Politiker*innen waren sich einig, dass es derzeit zu früh sei für Überlegungen bezüglich möglicher Änderungsspielräume. Es müsse weiter Druck aufgebaut werden. „Wir sollten nicht zu früh über Kompromisse spekulieren“ so Möhring. Eva Högl äußerte sich zu der Kritik über den „aus strategischen Erwägungen“ zurückgezogenen Antrag der SPD: „Das ändert nichts daran dass die SPD nach wie vor voll hinter der Streichung des Paragrafen steht“. Auch die Generalsekretärin der FDP in Brandenburg, Jacqueline Krüger, unterstützt die ersatzlose Streichung des § 219 aus dem Strafgesetzbuch. Die Liberalen Frauen in der FDP seien nach ihrer Wahrnehmung überwiegend für eine Streichung. Als Landespolitikerin könne sie jedoch nicht für den Antrag der Bundes-FDP sprechen. Die Gesprächsrunde schloss mit dem übereinstimmenden Fazit, dass auf allen gesellschaftlichen Ebenen mehr aufgeklärt werden müsse über den Hintergrund des Paragrafen. Die derzeitige rechtliche Situation von betroffenen Frauen und Ärzt*innen sei schlichtweg nicht hinnehmbar und müsse verbessert werden. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Dinah Riese.

Die in der Talkrunde diskutierten Aspekte und Argumente wurden zuvor im Rahmen des Fachkongresses mit etwa 100 Teilnehmenden von Expert*innen in unterschiedlichen Beiträgen analysiert. Nach der Videogrußbotschaft der angeklagten Ärztin Kristina Hänel gab zunächst die Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Dr. Gisela Notz einen Rückblick auf die Ursprünge und Anpassungen der Paragrafen 218ff und 219ff und zog das Fazit: Bei den Paragrafen handelt es sich, um mit Willy Brandt zu sprechen, um „einen schwer erträglichen Restbestand sozialer Ungleichheit aus dem vorherigen Jahrhundert.“ Daher müssen sie ersatzlos gestrichen werden.

Auf die Wertungswidersprüchlichkeiten in den Argumentationen der Streichungsgegner*innen ging Prof. Dr. Ulrike Busch in ihrem Vortrag „Ersatzlose Streichung oder Änderung? Argumente und Konsequenzen“ ein. Sie führte dabei fünf Argumente von Gegner*innen der Abschaffung des Paragrafen an, um sie sodann zu widerlegen.

Die Lebenswirklichkeit von Frauen in einer sehr belasteten Situation beschrieben Dr. Ines Scheibe vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und Peggy Piesche vom Gunda Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung in ihrem Austausch über die entmündigenden und diskriminierenden Folgen der Paragrafen 218/219 für Frauen. „Die jetzige Debatte zeigt, dass es eine enorme Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen und der eigentlichen Gesetzesgrundlage gibt“, stellte Piesche fest.

Die Ärztinnen Gaby Halder und Christiane Tennhardt schilderten eindrücklich, wie sich der 219a auf ihre Berufsausübung auswirkt. „In der ärztlichen Berufsausübung macht man sich schon allein dadurch strafrechtlich angreifbar, weil man zum Schwangerschaftsabbruch entschlossene Frauen betreut und behandelt“, so Halder. Dies sei auch für die Gewinnung des Ärzt*innen-Nachwuchses, die Abbrüche durchführen, ein Problem. Es gebe bereits heute weiße Flecken auf der Landkarte in einigen Regionen.

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